Gaudete! – so nennt die Tradition der Kirche den dritten Adventssonntag.
„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch!“ (Phil 4,4)
– so lautet der namensgebende Eröffnungsvers der römisch-katholischen Liturgie. In der Tat dürfte bei vielen selbst in diesen pandemischen Zeiten die Vorfreude auf das Weihnachtsfest steigen. Weihnachten ist ein eigentümliches, heimeliges Fest, dem sich niemand so ganz entziehen kann. Oder hat man je gehört, dass handfeste Nichtglaubende an Weihnachten nichts schenken würden? Was glauben Sie denn?
Wie auch immer man zum Glauben an die Menschwerdung Gottes stehen mag, die in zwei Wochen gefeiert wird, – so richtig kalt lässt sie niemanden. Dabei haben die historischen Umstände damals wohl wenig mit den romantischen Bildern gemein, die heute das Fest der Heiligen Nacht prägen. Nach dem Lukasevangelium soll ein kaiserlicher Erlass die Ursache dafür gewesen sein, dass sich der Handwerker Josef mit seiner schwangeren Frau Mirjam von Nazareth auf den Weg nach Bethelehm machen muss. Der Eintrag in Steuerlisten steht an. Dass es solche Zählungen tatsächlich gegeben hat, ist mittlerweile durch einen Papyrus aus dem Archiv der Jüdin Babatha archäologisch belegt. Auch sie muss sich römischen Steuerschätzung beteiligen, für die sie im Jahr 127 n.d.Z. mit ihrem Mann Judanes von Maoza in der Provinz Arabia nach Rabbath reist. Aus gleichem Grund haben sich auch Josef und Maria auf den Weg nach Bethlehem gemacht. Fünf bis sechs Tagesmärsche brauchte man wohl für die etwa 150 Kilometer lange Strecke von Nazareth nach Bethlehem. Dort war dann kein Platz in der Herberge. Dort kam das Paar unter – der Rest ist Geschichte.
„Freut euch! Noch einmal sage ich: Freut euch!“ (Phil 4,4)
– bald ist Weihnachten. Wer durch die Innenstädte Barmens und Elberfelds läuft, kann sehen, dass insbesondere die Herbergssuche von den Stadtplanern der Innenstadt konsequent in Szene gesetzt wird. Bloß nicht verweilen! – das scheint die Botschaft jener Bänke zu sein, die schon seit Jahren in der Innenstadt Barmens stehen und nun auch in Elberfeld zu finden sind. Bänke mit harten Kanten und Zacken, die nur festpositioniertes und ordentliches Sitzen ermöglichen. Kindern, die sich auf sie werfen, werden sie wohl blaue Flecken zufügen. Die Botschaft ist klar: Nicht hinlegen! Offenkundig möchte man vermeiden, dass sich die eine oder der andere Obdachlose hier ausruht. So sieht die schöne neue Stadt aus: Keine Herberge für solche, die einen Platz zum Sein suchen. Ja, Wuppertal macht es mal wieder anders – anders, als es die großen Sozialreformer wie Friedrich Engels, Adolph Kolping und Johanne Gregor Breuer getan hätten. Hätten Helene Stöcker, Else Lasker-Schüler, Maria Husemann oder auch Christel Hövel das so einfach hingenommen? Mit Verlaub: Diese Noppenbänke sind so menschenverachtend wie Stacheldraht am Flüchtlingslager.
Am Sonntag „Gaudete“ heißt es in der zweiten Lesung der römisch-katholischen Liturgie:
„Freut euch im Herrn zu jeder Zeit! Noch einmal sage ich: Freut euch! Eure Güte werde allen Menschen bekannt. Der Herr ist nahe.“ (Phil 4,4f)
– ob Wuppertal so Weihnachten feiern kann, wenn denen, die kein Obdach haben, sogar ein Platz zum Sein verwehrt wird? Woran auch immer jemand glauben mag: das Christkind, der Weihnachtsmann oder Josef mit der schwangeren Maria machen sicher einen großen Bogen um die Stadt. Sie ziehen wohl weiter, weil es keinen Platz zum Ausruhen gibt. Eine Krippe mit Stroh ist schließlich Luxus gegen diese Bänke mit den stählernen Zacken. Da kann doch kein Menschensohn und keine Menschentochter liegen … Hart und herzlos – was auch immer die Stadtplaner sich bei diesen Bänken in Barmen und Elberfeld gedacht haben – sie sollte schnellstens umdenken. Mach endlich was anders, Wuppertal!
Dr. Werner Kleine
Erstveröffentlicht in der Westdeutschen Zeitung vom 10. Dezember 2021.
Author: Dr. Werner Kleine
Dr. Werner Kleine ist katholischer Theologe und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal. Er tritt für eine Theologie ein, bei der der Mensch im Mittelpunkt steht.
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